Im zugrunde liegenden Fall hatte eine in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaft (Klägerin), die zu 5,6 % an einer deutschen Tochtergesellschaft beteiligt war, von dieser Gewinnausschüttungen erhalten, für die Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag einbehalten und abgeführt wurden. 100%iger Anteilseigner der Klägerin ist eine in Großbritannien ansässige, börsennotierte Kapitalgesellschaft. Im Dezember 2009 beantragte die Klägerin unter Berufung auf das Doppelbesteuerungsabkommen die Begrenzung der Quellensteuer auf 15 % und die Erstattung der verbleibenden Steuer. Hierzu berief sie sich auf die Grundfreiheiten des Binnenmarkts und insbesondere den freien Kapitalverkehr.
Das Bundeszentralamt für Steuern gab dem ersten Teil der Anträge statt und nahm eine Erstattung der über die im Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehenen 15 % hinausgehenden Quellensteuer vor. Eine Erstattung der verbleibenden abgeführten Steuer an die Gesellschaft lehnte es jedoch ab, da die in § 32 Abs. 5 KStG vorgesehenen Voraussetzungen für die Erstattung der Kapitalertragsteuer nicht erfüllt seien. Das angerufene Finanzgericht sah die Voraussetzungen für die Kapitalertragsteuererstattung nach § 32 Abs. 5 KStG ebenfalls als nicht erfüllt an, äußerte jedoch Zweifel an der Vereinbarkeit der in § 32 Abs. 5 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 32 Abs. 5 S. 5 KStG vorgesehenen Voraussetzungen mit der Kapitalverkehrsfreiheit sowie mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Effektivität und legte dem EuGH entsprechende Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Auch der Generalanwalt beim EuGH machte in seinem Schlussantrag deutlich, dass seiner Meinung nach die nationale Steuervorschrift (§ 32 Abs. 5 S. 2 Nr. 5 i.V.m. § 32 Abs. 5 S. 5 KStG) nicht mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sei.
Der EuGH folgte den Ausführungen des Generalanwalts und hat entschieden, dass die deutsche Regelung des § 32 Abs. 5 KStG dem Artikel Art. 63 AEUV entgegenstehe. Aus dem Vorabentscheidungsersuchen lasse sich entnehmen, dass nach den in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften die Voraussetzungen, unter denen die an der Quelle einbehaltene Kapitalertragsteuer auf Dividenden aus Streubesitzanteilen erstattet werden könne, je nachdem, ob es sich bei der Empfängerin der Dividenden um eine gebietsansässige oder eine gebietsfremde Gesellschaft handelt, unterschiedlich seien. Eine solche Ungleichbehandlung sei gemäß Art. 65 Abs. 1 AEUV nur zulässig, wenn sie Situationen betreffe, die nicht objektiv miteinander vergleichbar seien, oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sei.
Die Bundesrepublik Deutschland habe dafür entschieden, ihre Steuerhoheit für sämtliche Dividenden aus Streubesitzanteilen unabhängig davon auszuüben, ob sie an gebietsansässige Gesellschaften oder an Gesellschaften ausgeschüttet werden, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind. Aufgrund dieses Umstands befinden sich diese beiden Kategorien von Gesellschaften, was die Gefahr einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung oder einer mehrfachen Belastung dieser Dividenden angeht, in einer vergleichbaren Situation. Sie müssen daher einer gleichwertigen Behandlung unterzogen werden. Nach Auffassung der deutschen Regierung seien die nationalen Rechtsvorschriften durch das Ziel der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten sowie durch die Verhinderung einer doppelten Berücksichtigung einbehaltener Quellensteuer gerechtfertigt. Dem widerspricht der EuGH. Deutschland habe sich dafür entschieden, die Belastung durch die Quellensteuer auf diese Dividenden vollständig zu neutralisieren, wenn sie an gebietsansässige Gesellschaften ausgeschüttet werden. Unter diesen Umständen könne die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten eine Besteuerung von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften hinsichtlich dieser Art von Einkünften nicht rechtfertigen.
Um eine doppelte Berücksichtigung der Quellensteuer bei den in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Dividendenbeziehern zu verhindern, müsse eine Maßnahme als zur Verwirklichung des verfolgten Ziels geeignet angesehen werden, dem Anliegen gerecht werden und dieses Ziel in kohärenter und systematischer Weise erreichen. Dies sei aber nach Ansicht des EuGH nicht der Fall, wenn eine Erstattung der Quellensteuer auf Dividenden aus Streubesitzanteilen bei in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Gesellschaften, die diese Dividenden beziehen, an strengere Voraussetzungen geknüpft wird als bei gebietsansässigen Gesellschaften, und das, obgleich eine doppelte Berücksichtigung der Quellensteuer bei gebietsansässigen Gesellschaften nicht ausgeschlossen werden könne.
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