Der BFH hat mit Urteil vom 2. November 2022 (I R 29/19) zu der Frage Stellung genommen, inwieweit eine insolvenzbedingte Nichtdurchführung eines Gewinnabführungsvertrags vor Ablauf der Mindestvertragslaufzeit zur rückwirkenden Versagung einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft führen kann.
Im entschiedenen Fall ist der Kläger der Insolvenzverwalter in dem im Juni 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Holding-GmbH. Diese hielt sämtliche Geschäftsanteile der X-GmbH. Am 30./31. Oktober 2006 hatten die Holding-GmbH als Organträgerin und die X-GmbH als Organgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (EAV) geschlossen, der am 19. Dezember 2006 in das Handelsregister der X-GmbH eingetragen wurde. Der EAV sollte erstmals auf das am 29. Dezember 2005 beginnende Geschäftsjahr der X-GmbH Anwendung finden und war für die Dauer von fünf Zeitjahren vereinbart. Am 6. März 2009 beantragten die Holding-GmbH und die X-GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 1. Juni 2009 eröffnete das AG die Insolvenzverfahren über die Vermögen der Holding-GmbH und der X-GmbH und setzte den Kläger als Insolvenzverwalter der Holding GmbH ein. Für die Jahre 2006 und 2007 (Streitjahre) hatte die Holding-GmbH zunächst Steuererklärungen unter Berücksichtigung einer körperschaft- und gewerbesteuerrechtlichen Organschaft mit der X-GmbH als Organgesellschaft eingereicht.
Im November 2011 reichte der Kläger für die Streitjahre geänderte Steuererklärungen ein. Da der EAV nicht während der gesamten Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren tatsächlich durchgeführt worden sei, entfalle die Organschaft rückwirkend auch für die Streitjahre. Im Anschluss an eine Außenprüfung bei der Holding-GmbH und der X- GmbH lehnte das FA mit den Bescheiden vom 20. April 2016 den Erlass entsprechender Änderungsbescheide für die Streitjahre ab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Einspruch und Klage waren erfolglos.
Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen. Das Finanzgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen der Holding-GmbH als Organträgerin und der X-GmbH als Organgesellschaft zunächst eine wirksame Organschaft i.S. des § 14 KStG begründet wurde. Rechtsfehlerhaft sei dagegen die Einordnung, dass auch die Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des EAV nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG erfüllt sei. Eine Voraussetzung für die Anerkennung einer ertragsteuerlichen Organschaft sei die tatsächliche Durchführung eines auf mindestens fünf Jahre abgeschlossenen Ergebnisabführungsvertrags. Dies setze voraus, dass die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden/worden seien. Der BFH führt aus, dass das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Durchführung nicht durch einen vorläufigen Jahresabschluss endgültig erfüllt werden kann. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts lag für das Jahr 2008 ein vorläufiger Jahresabschluss der X-GmbH vor, der einen Jahresüberschuss vor Gewinnabführung ausweist. Dieser Jahresüberschuss wurde am 2. Februar 2009 über ein Aufwandskonto auf dem Verrechnungskonto der X-GmbH/Holding-GmbH verbucht. Der vorläufige Jahresabschluss war der Holding-GmbH bekannt und wurde von den Geschäftsführern der X-GmbH freigegeben. Eine Umbuchung auf das Cash-Clearing-Konto erfolgte nicht. Die Auffassung des Finanzgerichts, dass das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Durchführung des EAV durch den vorläufigen Jahresabschluss endgültig erfüllt werden kann, trägt nicht. Dies gilt auch für die Annahme, dass im Falle der Insolvenz für die Durchführung des EAV auf einen vorläufigen Jahresabschluss abgestellt werden könne.
Die Nichtdurchführung des EAV könne auch nicht durch § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4 KStG geheilt werden. Danach gilt ein Ergebnisabführungsvertrag auch dann als durchgeführt, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust zwar auf einem fehlerhaften Jahresabschluss der Organgesellschaft beruht, dieser jedoch wirksam festgestellt worden ist und daneben weitere Voraussetzungen erfüllt werden. Nach Ansicht des BFH erfasse die Regelung jedoch nicht einen nur vorläufigen Jahresabschluss.
Komme es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führe dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.
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