Im entschiedenen Fall hatte der Kläger in den Jahren 2014 bis 2016 über die Handelsplattform „bitcoin.de“ verschiedene Kryptowährungen erworben, anschließend getauscht und schließlich wieder veräußert. Für das Streitjahr ermittelte der Kläger einen unstreitigen Veräußerungsgewinn in Höhe von 3.441.261,70 Euro. Zwischen den Parteien kam es zum Streit, ob der Gewinn aus der Veräußerung und dem Tausch von Kryptowährungen der Einkommensteuer unterliege. Die vom Kläger erhobene finanzgerichtliche Klage war überwiegend erfolglos.
Der Kläger machte geltend, dass bei der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen aus Kryptowerten ein strukturelles Erhebungsdefizit bestünde. Es läge kein privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG vor, da weder ein Wirtschaftsgut gegeben sei noch ein solches veräußert worden sei. Selbst wenn man ein privates Veräußerungsgeschäft annähme, wäre die Besteuerung wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits verfassungswidrig, und zudem würde der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz verletzt. Bei Kryptowerten handele es sich um über das Internet vertriebene digitale, notenbankunabhängige Zahlungsmittel, welche auf einem Algorithmus basierende, digitale Datensätze darstellten. Die Kryptowerte beruhten in der Regel auf einer sog. Distributed Ledger Technology (kurz: DLT). Ein Bitcoin sei für sich genommen nichts anderes als eine Zahlenfolge ohne inneren Gehalt. Der Kläger ist der Auffassung, dass selbst wenn es sich um ein Wirtschaftsgut handeln sollte, es fraglich wäre, wem dieses zuzurechnen sei. Da kein rechtliches Eigentum, Besitz oder eine andere sachenrechtliche Rechtsposition an Bitcoin, Ethereum, Monero usw. existiere, seien diese als nach § 194 BGB anspruchslose Krypto-Assets zu bezeichnen. Eine Zurechnung nach § 39 Abs. 1 AO sei somit nicht möglich.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Rechtsstreit beigetreten. Es vertritt die Auffassung, dass virtuelle Währungen als „andere Wirtschaftsgüter“ i.S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG anzusehen seien. Der Begriff des Wirtschaftsguts umfasse neben Sachen und Rechten auch tatsächliche Zustände sowie konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung sich ein Kaufmann etwas kosten lässt und die nach der Verkehrsauffassung einer gesonderten, selbständigen Bewertung zugänglich sind. Diese von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geprägten Voraussetzungen seien nach herrschender Meinung bei virtuellen Währungen gegeben.
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Nach Ansicht des BFH gehören zu den (anderen) Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG sein können, auch virtuelle Währungen in der Gestalt von Currency Token. Diese würden i.S. von § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG angeschafft, wenn sie im Tausch gegen Euro, gegen eine Fremdwährung oder gegen andere virtuelle Währungen erworben werden. Eine Veräußerung i.S.d. Vorschrift liege vor, wenn sie in Euro oder gegen eine Fremdwährung zurückgetauscht oder in andere Currency Token umgetauscht würden.
Der Begriff des Wirtschaftsguts sei weit zu fassen. Wie vom BMF ausgeführt, umfasse er nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts wie Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb. Mit Blick auf dieses Begriffsverständnis könne auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare (Rechts-)Position im Einzelfall steuerrechtlich als eigenständiges Wirtschaftsgut angesehen werden, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden habe, den kommerzialisierbaren Teil der Rechtsposition entgeltlich einem Dritten zu überlassen und dadurch wirtschaftlich zu verwerten.
Nach diesen Grundsätzen stellen die vom Kläger erworbenen, getauschten und wieder veräußerten Currency Token BTC, ETH und XMR Wirtschaftsgüter i.S. des § 23 Abs. 1 S.1 Nr. 2 S. 1 EStG dar. Wirtschaftlich betrachtet seien Bitcoin, Ethereum und Monero als Zahlungsmittel anzusehen. Sie würden wie reale Währungseinheiten auf Handelsplattformen und Börsen gehandelt und verfügten über jederzeit abrufbare zeitaktuelle Kurse.
Der Auffassung des Klägers, dass es sich bei den im Streitfall maßgeblichen Currency Token um „Signaturketten ohne intrinsischen Nutzen, also lediglich einer Bestätigung ihrer selbst“ oder „digitale Buchungsschnipsel“ handele, folgt der Senat nicht. Unbeschadet der im Einzelnen komplexen technischen Zusammenhänge des jeweiligen DLT-Systems ergäbe sich für den Inhaber eines Currency Token ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil.
Die im Streitfall vom Kläger erworbenen, getauschten und wieder veräußerten Currency Token BTC, ETH und XMR stellten nach Ansicht des BFH „andere Wirtschaftsgüter“ i.S. des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EStG dar. Diese waren dem Kläger nach § 39 Abs. 1 AO auch zuzurechnen. Da die Bestimmung des § 39 Abs. 1 AO aus der Sicht des BGB „unjuristisch“ formuliert ist und vom engen Eigentumsbegriff des Zivilrechts abweicht, sei „Eigentümer“ eines Wirtschaftsguts i.S. des § 39 Abs. 1 AO der nach Maßgabe des Privatrechts Berechtigte. Dies führe im Streitfall dazu, dem Kläger die von ihm erworbenen Currency Token nach § 39 Abs. 1 AO zuzurechnen, weil ihm mittels des „Private Key“ in tatsächlicher Hinsicht die Berechtigung zukam, über die erworbenen Token (im Sinne einer unbeschränkten Herrschaftsmacht) zu verfügen.
Entgegen der Auffassung des Klägers läge kein normatives Vollzugsdefizit vor. Im Streitfall seien keine Anhaltspunkte für ein strukturelles Vollzugsdefizit ersichtlich, die der Erhebung der Steuer entgegenstünden. Unbeschadet möglicher, auf die Anonymisierung des Handels zurückzuführender Vollzugsschwierigkeiten bei der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Currency Token, liege nach den insoweit maßgeblichen Feststellungen des Finanzgerichts keine der materiellen Regelung strukturell gegenläufige Erhebungsregelung vor. Es bestehe für Finanzbehörden – unabhängig von den Rahmenbedingungen der Veräußerung – schon heute die Möglichkeit, die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte im Rahmen von Sammelauskunftsersuchen auch bei den Betreibern von Krypto-Handelsplattformen einzuholen. Zudem bestünden auf internationaler Ebene u.a. in Gestalt des „Crypto-Asset Reporting Framework“ (CARF) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bestrebungen, einen einheitlichen Rahmen für den internationalen Austausch steuerlich relevanter Daten zu Kryptowährungen zu schaffen. Damit sollen Vollzugserschwernisse auf internationaler Ebene vermieden werden.
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