Im entschiedenen Fall war zwischen den Erben und Erbeserben (in einem Fall) eines im Streitjahr 2000 zusammen mit seiner Frau zur Einkommensteuer veranlagten und 2011 verstorbenen Erblassers und dem Finanzamt strittig, ob die auf einen gewerblichen Veräußerungsgewinn i. S. des § 16 EStG entfallende Einkommensteuer im Jahr 2000 aus verfassungsrechtlichen Gründen (zumindest teilweise) nur mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG in der bis 1998 geltenden Fassung (EStG 1998) zu bemessen sei oder mit dem allgemeinen Steuersatz unter Berücksichtigung der sog. Fünftel-Regelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG i. d. F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.März 1999.
Der Erblasser hielt eine atypisch stille Unterbeteiligung am Kommanditanteil einer KG eines seiner Kinder. Im Vertrag war eine ordentliche Kündigung des Unterbeteiligungsverhältnisses erstmalig zum Jahr 2000 unter Einhaltung einer Frist von zwei Jahren vorgesehen. Im Jahr 1998 kündigte der Erblasser das Unterbeteiligungsverhältnis fristgerecht. Das Auseinandersetzungsguthaben wurde in Raten in den Jahren 2001 bis 2012 ausgezahlt. Zwischen der Kündigung im Jahr 1998 und dem Eintritt der Kündigungsfolgen im Jahr 2000 wurde § 34 Abs. 1 EStG für den Erblasser nachteilig geändert.
Das Finanzamt wendete im Einkommensteuerbescheid für 2000 auf den Veräußerungsgewinn die Fünftel-Regelung gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1999/2000 an und bemaß die Einkommensteuer mit dem allgemeinen Steuersatz gemäß § 32a EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung. Dies führte dazu, dass ein Steuersatz von 51 % (im Jahr 2000) Anwendung fand und der Gewinn nicht – wie vom Erblasser beantragt – mit dem halben durchschnittlichen Steuersatz gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1998 (1/2 von 53 %, dem Höchststeuersatz im Jahr 1998) belastet wurde. Einspruch und Klage gegen den Steuerbescheid blieben erfolglos.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Finanzamt die Steuer nach dem im Streitjahr geltenden Gesetz zutreffend bemessen hat. § 34 Abs. 1 EStG 1998 galt nur bis zum 31. Dezember 1998, der neue § 34 Abs. EStG, der den halben durchschnittlichen Steuersatz wieder einführt, ist erst ab dem Veranlagungszeitraum 2001 anwendbar. Die Kläger machten jedoch geltend, die Änderung des § 34 EStG im EStG 1999/2000 sei verfassungswidrig, das Verfahren sei daher auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.
Dieser Auffassung folgt der BFH nicht. § 34 Abs. 1 und § 52 Abs. 47 EStG 1999/2000 seien nicht verfassungswidrig, da sie in Bezug auf die Fallkonstellation des Streitfalls keine unzulässige Rückwirkung entfalten und insoweit mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes vereinbar seien.
Außerhalb des Strafrechts beruhe das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze auf den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip, vor allem auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Eine echte Rückwirkung, bei der die Rechtsfolge einer Rechtsnorm mit belastender Wirkung für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll, ist grundsätzlich unzulässig. Eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung belastender Rechtsfolgen – die Änderung des
EStG für den laufenden oder für einen künftigen Veranlagungszeitraum – ist grundsätzlich zulässig, wenn sie zur Erreichung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.
Im Streitfall liege nach Ansicht des BFH weder ein Fall der verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässigen echten Rückwirkung noch ein Fall der einer echten Rückwirkung nahestehenden, an besonders strengen Kriterien zu messenden rückwirkenden Änderung des Steuerrechts für den laufenden Veranlagungszeitraum vor. Es gelten die Maßstäbe, die die Rechtsprechung für die Fälle einer unechten Rückwirkung bzw. einer Rückanknüpfung belastender Rechtsfolgen entwickelt habe, die erst in einem zukünftigen Veranlagungszeitraum eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits vorher ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden. Auch in diesem Fall müsse der Gesetzgeber die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit betrachten. Diese seien verletzt, wenn die unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich sei oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Im vorliegenden Fall läge jedoch eine Vereinbarkeit der § 34 Abs. 1 i. V. m. § 52 Abs. 47 EStG 1999/2000 mit diesen Grundsätzen vor. Aus den Gesetzesmaterialien ergäbe sich, dass die Regelung der Einnahmeerzielung und der Beseitigung der über den Zweck der Progressionsglättung hinausgehenden Begünstigung der außerordentlichen Einkünfte und der Vereinheitlichung und Vereinfachung der Besteuerung dienen sollte. Zur Förderung dieser Gesetzeszwecke war die Gesetzesänderung geeignet und erforderlich. Umstände, die eine besondere Schutzwürdigkeit des Erblassers begründen könnten, lägen auch nicht vor.
Weiterhin läge auch kein Fall des besonderen Dispositionsschutzes vor, weil die Disposition zeitnah Wirkung entfalten soll und getätigt wurde, bevor das Vertrauen der Steuerpflichtigen in den Fortbestand des Rechts zerstört wurde. Zeitnah bedeute in diesem Fall innerhalb des bereits laufenden Veranlagungszeitraums. Der BFH folgt nicht der Auffassung der Kläger, dass bei bilanzierenden Steuerpflichtigen der Vertrauensschutz über mindestens zwei Veranlagungszeiträume zu gewähren sei. Es gäbe keinen Erfahrungssatz, wonach für die Ermittlung stiller Reserven und das Aufstellen einer Bilanz ein längerer Vorlauf oder eine längere Kündigungsfrist als ein Jahr notwendig sei.
Zudem weist der BFH darauf hin, dass der Vorgang auch noch keinen gesteigerten Grad der Abgeschlossenheit erreicht hatte. Bei Gewinneinkunftsarten, insbesondere bei den im Streitfall vorliegenden gewerblichen Einkünften, seien Wertzuwächse grundsätzlich bis zuletzt steuerverhaftet. Die bloße Hoffnung oder Erwartung, dass Vermögensgegenstände, auf denen stille Reserven ruhen, bis zur Betriebsaufgabe oder bis zur Veräußerung im Betriebsvermögen bleiben und die Einkommensteuer danach (nach altem Recht) zum halben durchschnittlichen Steuersatz bemessen werde, habe nichts mit einem besonderen Grad an Abgeschlossenheit des Vorgangs zu tun und ist auch im Übrigen nicht besonders schutzwürdig.
Ebenfalls sei die unterschiedliche einkommensteuerliche Behandlung von Wertsteigerungen im Privat- und im Betriebsvermögen infolge des Dualismus der Einkunftsarten mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
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